Alchemist**
Sobald ich vor dem Restaurant Alchemist stehe, öffnet sich wie von Zauberhand die mächtige Eisentür.
Alchemist**
Sobald ich vor dem Restaurant Alchemist stehe, öffnet sich wie von Zauberhand die mächtige Eisentür. Im Dunklem willkommen geheißen, führt der Weg hinter einen großen Vorhang, ebenfalls in undefinierte Schwärze, die geigend gelüftet wird. Lulu heißt der Erste von fünf Akten, deren dazugehörige Szenen, Theater, Wissenschaft, Kunst und Musik vereinen.
Dieser ist in Zusammenarbeit mit der Copenhagen Philharmonic entstanden und bereitet große festliche Vorfreude mit einem alten, schwedischen Volkslied.
Der zweite Akt führt in die Lounge mit Blick auf die gläserne, laborartige Küche, eine von Vieren, in der das Research & Development Team dominiert. Verschiedenste Techniken und geschmackliche Reisesouvenirs stehen Pate für die folgenden unzähligen Highlights, die alle Sinne berühren und eine Botschaft, Erfahrung oder anderen Hintergrund in sich tragen.
—»Impressionen statt Gerichte.«
So werden wir siebenfach begrüßt, unter anderem mit einem zu Recht Gier genannten nichts. Eingefrorener Schaum, der zerfällt, sobald er den Gaumen berührt. Es folgt ein an indisches Streetfood angelehnter Ball, bedeckt mit Panna Cotta, Spitzkohl, Kaviar und einer Auster-Emulsion, der beim ersten Biss nur Fichtenrauch enthüllt.
Kindlich spielerisch der Dumpling aus Zuckerwatte mit frischen asiatischen Kräutern. Mit einem Happs und einer Hand isst sich das perfekte Omelette, das Rasmus Munk bei vielen Hotelfrühstücken vermisst hat. Himmlich zergeht flüssig die Vereinigung von niedriggegartem Eigelb, Comté Käse und geschmolzenem Lado und wird sogar noch getoppt von der Bikini Sandwich Version aus Barcelona-Tagen. Und bei allem eine empfohlene Anleitung, wie es am besten zu genießen ist.
Für den dritten Akt in vier Szenen durchschreiten wir das opulente, bis zur 24 Meter hohen Decke reichende, gläserne Weinlager und erreichen die atemberaubende Kuppel, an deren Decke gemächlich Quallen und die Realität abbildendes Plastik im Ozean schwimmen.
“Big Brother is watching you”, mit dem “1984” bezeichneten Gang präsentiert sich in Augenoptik die Pupille aus Spargel, Kaviar und Augen des Kabeljaus. Double Trouble nennt sich die Kombination aus Qualle, Alge, Chili und Koriander und schenkt mir somit das amüsante Vergnügen meines ersten Quallengerichts.
Die Insel Læsø ist berühmt für ihren Kaisergranat und daraus, bzw. aus den kaputten, übriggebliebenen Teilen wird eine Praline mit Tatar, Yuzu und Ingwer kreiert, von Schalenbouillon statt Kakaobutter umhüllt für den Schokoladen ähnlichen Knack und einer Salzflocke aus dem Meer.
Nach einer hervorragenden Lobster Roll Version behandelt das anschließende Plastic Fantastic die Verschmutzung der Weltmeere. Plastik nah wurde Kabeljau Bouillon dehydriert und mit gegrillten Kabeljau Kiefer und gerösteten Knochenmark auf einem ebenfalls Plastik enthaltenen Teller drapiert. Letzteres Plastik wurde übrigens in sehr kurzer Zeit selbst gefischt.
Viel Freude macht der blütenweiße Schneeball. Mit Handschuhen in Olivenöl zu tunken, erschmecken wir spielerisch die Tomate.
In der Zwischenzeit hat sich der Kuppelhimmel verdunkelt und eine japanische Umgebung aus Tokyo wechselt die Quallen ab und führt zu der zweiten Szene unter dem Thema Dramatik.
Auf einer Silikon-Zunge befindet sich eine fruchtige Gazpacho mit Blüten, die Zungenkuss mimend zu genießen ist, denn leckend werden wohl mehr Geschmacksnuancen aufgenommen. Breathless bezeichnet den kleinen Taco mit Lammlunge, selbiger Crème und Hibiskus.
Passend zu „Food for thought“ öffnet Rasmus einen Schädel, der ungestopfte Foie Gras enthüllt, wo crunchy auf süß und heiß auf kalt trifft.
Eine abgehängte Taube kündigt den nächsten Gang an. Geräuchertes Aroma ergänzt den des Bienenwachses, in dem die Taube 14 Tage lang reift und sanft unter 55 Grad im Wasserbad gekocht wird, um das Wachs nicht zu schmelzen, süß und klebrig in ihrem Jus, verfeinert mit fermentierten roten Johannisbeeren und tasmanischen Honig.
Luftig beginnt die dritte Szene mit einem Hauch von Brot, Butter Crème Fraîche und Pozolito Schinken, um von einem herbstlichen Anblick aus Shitake Pilzen, Walnussmilch und Trüffel warm und wohlig abgelöst zu werden. Immer harmonisch dabei ist die Weinbegleitung, die ich mit dem no and low alcohol Department kombiniere und so in den Genuss köstlicher, selbstgemachter Kombuchas komme.
Sechs Monate lang dauerte die Entwicklung des perfekten Bao. Weich und leicht klebrig wird er bereichert von einer XO-Sauce, jene umrahmt von einer grünen Koriander-Paste und macht diese Kombination mühelos zu einer meiner Liebsten. Optisch unterstützt von nicht enden wollenden Hühnern in Käfigen, verstärkt die Hühnerkralle im Käfig statt Teller, die alarmierende, industrielle Aufzucht.
Nicht zum letzten Mal begegnen wir Ameisen, hier im sogenannten Ant-wich. Ein Eis aus Schafsmilch und der Säure und Puder der Ameisen. Pop-Art von Andy Warhol bringt die Banane als Saft und Sorbet auf den Teller, Cachaça, Tonkabohne und karamelliertes Eigelb ergänzen.
Gewollt herausfordernd ist „Lifeline“ in Bluttropfenform. Das Schweineblut als Eiscrème kann trotz Blaubeer-Ganache und Wacholder-Öl seinen Eisengeschmack nicht unterdrücken. Auffordernd dazu ein QR-Code, der zum Blutspenden in Dänemark aufruft.
Guilty Pleasure macht aufmerksam auf Kinderarbeit in der Schokoladenindustrie und versteckt in einer Information gebenden Verpackung eine Schokolade von Original Beans in Sargform.
Für den vierten Akt werden wir in den pinken Raum entführt. „What happens in the pink room, stays in the pink room”, doch Tanzen ist ausdrücklich erlaubt.
Entlang der herausschickenden Küche, die einen Blick auf die professionelle Übersicht aller Gäste erlaubt, geht es im Fahrstuhl nach oben. Mit einem Backstage-Gefühl überblicken wir die ganze Welt des Alchemist.
—»Rasmus scheint den ganzen Abend wie geklont in jeder der Stationen präsent, herzlich und offen für jegliches Gespräch.«
Ein Bernstein ähnlicher Petit Four bewahrt mit Honig und Ingwer die roten Waldameisen. Eine Hommage an die Küste Jutlands, wo oft Bernsteinsammler zu beobachten sind, die zuallererst in den Stein beissen, um zu testen, ob es nicht doch nur Glas ist. Es folgt ein Strawberry Daiquiri in fester Form. Zurück zu den Ursprüngen der Alchemie beschließt ein goldenes „Happy Ending“. Tropische Früchte und eine Cashewkern-Crème ummantelt von Blattgold.
Überwältigt von dieser Flut von neuen Eindrücken werden wir durch Hunderte Schmetterlinge hindurch verabschiedet, um immer noch beeindruckt zurückzudenken, denn einige dieser einzigartigen Gänge werden im Gedächtnis bleiben.
Alchemist, Refshalevej 173C, 1432 Kopenhagen, Dänemark, +4531716161, info@alchemist.dk, alchemist.dk